Autor: Bernhard Blum - 4 min read Foto: © Hutan Vahdani
Fixiefahren ist, im urbanen Straßenverkehr mit vollem Elan betrieben, eigentlich ein Extremsport. Wenn auch eine entsprechende Kategorisierung bisher ausgeblieben ist, beweist das Videomaterial von zB. Lucas Brunelle genau das.
Daher ist auch das Suchtpotential mit dem beim Surfen, Snowboarden & Co. vergleichbar, die Chancen aus dem Hobby auch einen Beruf zu machen, wie das bei Boardsportarten manchmal klappt, jedoch nicht. Eine Möglichkeit findet sich aber genau dort, wo der Ursprung des heutigen Fixie-Trends liegt: bei den Fahrradboten. Wenn der Anteil der Boten, die ohne Gänge und Leerlauf unterwegs sind, auch nur ein kleiner ist, sind das die wahren „soul rider“ – und es ist ein Job der jede Menge Seele abverlangt.
Einem Boten ist nichts verboten
Zu versuchen zu erklären welche Art von Mensch diesen Job macht, wäre unmöglich, denn es sind nicht nur die unterschiedlichsten Arbeitsgeräte – vom klapprigen Citybike bis zum Profirennrad – im Einsatz, sondern auch die unterschiedlichsten Menschentypen. Doch vereint sie alle der kleinste gemeinsame Nenner das Leben lieber am Rad als im Büro zu verbringen. Dabei das Leben zu riskieren, ist nicht jedermanns Sache, doch der Blick in den Augen mancher Boten verrät die Lust am Adrenalin, an der ständigen Gefahr, der man sich aussetzt, wenn keinerlei Verkehrsregeln gelten.
Mit voller Geschwindigkeit über rote Ampeln von mehrspurigen Straßen zu rasen ist kein Muss um in diesem Job zu bestehen. Dabei einen Kick zu empfinden allerdings schon, wenn man diesem Beruf langfristig erfolgreich nachgehen will. Allerdings sprechen diejenigen, die jahraus jahrein am Drahtesel sitzen, selbst ohnehin von einer Berufung anstatt eines Berufes. Einen guten Einblick in den Alltag von Radboten bietet die Doku Soap „Triple Rush“.
Time is what you make of it
Geld alleine kann nicht der Ansporn sein, vor bereits anfahrenden Autokolonnen noch über eine Kreuzung zu fetzen. Schon gar nicht deshalb, weil manche Botendienste ohnedies nach dem „Kollektiv-Prinzip“ arbeiten und das Gesamteinkommen auf die Fahrer aliquot aufgeteilt wird. Vielmehr ist es das erfüllende Gefühl das aufkommt, wenn man weiß, wieder einmal eine Fahrt in neuer Bestzeit geschafft zu haben. Oder man sein Fahrkönnen unter Beweis gestellt hat, um noch durch die letzte kleine Lücke zwischen stehenden Autos zu rasen, bevor die Blechlawine von der anderen Seite hereinbricht.
Dem Regen zu trotzen und bei jedem Wind und Wetter wieder die tagtägliche Herausforderung neu anzunehmen. Nicht nur die Sportliche. Denn entgegen der allgemeinen Annahme sind Boten mehr als regelbrechende Fahrradrowdies, sie sind meistens selbstständige Unternehmer mit einer Menge Eigenverantwortung. Der radikale Fahrstil mancher ist also kein Leichtsinn, sondern Kalkül. Keiner kann es sich leisten verletzungsbedingt auszufallen, denn das soziale Auffangnetz ist – wie der Dienstplan – weit weniger engmaschig als das bzw. der von Angestellten.
Playing the game – living the dream
Der Tagesablauf der „Messengers“ gleicht einem noch nicht programmierten Computerspiel: optimales Routing um auch beim Einlangen neuer Aufträge die effizienteste Strecke zu wählen; schnellstmöglich von A nach B zu kommen und dort keine Zeit zu verlieren um an die Sendung zu kommen oder sie loszuwerden; Multitasking während der Fahrt bei der manchmal gleichzeitig Rad gefahren wird, Aufträge am Datenfunk angenommen werden und wegen zusätzlicher Infos telefoniert wird.
All das wird gemacht, während der Blick nicht von der Straße weichen darf, weil die Fehler anderer Verkehrsteilnehmer oder die Kontrollorgane der Exekutive einem sehr schnell den Tag vermiesen können. Ein solches Spiel ist noch nicht am Markt – die Boten finden jedoch Möglichkeiten sich im echten Leben untereinander zu messen. Die berüchtigten „Alley-Cats“, illegale Schnitzeljagden durch den nächtlichen Straßenverkehr, sind meistens von Boten für Boten organisiert. Auch auf internationaler Ebene ist es möglich sich zu duellieren. So findet zwischen 28. und 31.5. schon zum zwanzigsten Mal die Europäische Radboten Meisterschaft, dieses Mal in Mailand, statt. Ob dort auch heuer wieder ein Fixie-Fahrer die Nase vorne haben wird oder nicht, wirst Du in Kürze hier erfahren.